25.01. 19:00
„Heavy music for nerdy people“, so beschrieb mal jemand die Musik von Mint Mind. „For“ oder „from“? Beides natürlich. Nach den ersten „VG+“-Songs hat man ein Gefühl, wie die Welt von Mint Mind aussieht: Instrumente und Verstärker aus mehreren Dekaden und in unterschiedlichen Aggregatzuständen, teils gestapelt an den Wänden. Davor, daneben und dazwischen Synthesizer und Effektgeräte, teilweise groß wie Gullideckel. Im windschiefen Plattenregal zwei Hände voll Comics, Alben von New Order, Devo, den B52s, fast der gesamte SST-Katalog, sowie Krautrock-Klassiker von Can und Faust. „VG+“, das dritte Album von Mint Mind, ist ein großes, generationenübergreifendes Indie-Rock-Album geworden.
Mint Mind sitzen im Upper Room Studio, einem abgetrennten Bereich von Rick McPhails kleinem Industrie- Loft in Hamburg-Altona. Hier entstand das neue Mint-Mind-Album VG+. Rick, der in Maine, USA, aufgewachsen ist, schaut zu seinen Mitmusikern. Sie sind etwas jünger als er, Christian Klindworth (Fluppe) ist 40, Friedel Viegener 22. Rick muss grinsen und sagt, „Ich bin ein höflicher und fröhlicher Mensch, aber ich brauche Momente, in denen ich mich über Dinge auslassen kann. Und das mach ich in meiner Musik. Ich ärgere mich meistens über die gleichen Sachen wie junge Leute. Viele der Dinge, die heute beschissen sind, waren es in den 80ern auch schon und damals war es nicht unbedingt leichter, gegen sie zu kämpfen.“ Ihr Album handelt von Wut, Optimismus, einem Politiker mit kleinen Fingern oder Influencer:innen, die heimlich ein ganz normales Leben führen. Manche Texte sind lustig, andere angenehm ernst: In „Glow“ geht es um Liebe und das Wertschätzen guter Momente in schweren Zeiten. In „Youth And I“ geht es um die Frage, warum es verschiedene Generationen mit den gleichen Vorstellungen (zu Themen wie Umwelt, Frauen- und LGBTQIA+-Rechten oder auch Wirtschaft) nicht schaffen, eine relevante Gemeinschaft zu bilden, sondern sich stattdessen von so etwas albernem wie Altersunterschieden stören lassen.
Der Sound von Mint Mind kombiniert süß-saure, fuzzy Riffs mit der Freiheit und dem Gefühl des Post-Punk/ Indie der 80er Jahre. Synthesizer sind diesmal zu einem zentraleren Instrument geworden. Mit verspielten und seltsamen Klängen bis hin zu unheimlich und düster ist das Album übersät mit Texturen und Bonbons für die Ohren, die es zu entdecken gilt. Der Albumtitel ist gut gewählt. „VG+“ ist dem Goldmine Grading Standard zur Bewertung von gebrauchten Vinyl-Schallplatten entnommen und bedeutet „Very Good +“ - Nebengeräusche können gelegentlich auftreten, jedoch niemals die ganze Zeit. Die Älteren könnten sich sicherlich hier und da an Dinosaur Jr. oder The Cure erinnert fühlen, die jüngeren an Diiv, Wavves oder Gurr. Und damit ist die Welt für alle einen Moment lang Very Good + (mit Nebengeräuschen).
Apropos Nebengeräusche: Wenn Rick nicht bei Mint Mind die selbstgebaute Lego-Gitarre schwingt, kümmert er sich um Technik, Roadies und die Leadgitarre bei Tocotronic oder legt Platten auf. In der Hamburger Kneipe Mutter spielt er Album/Adult Oriented Rock unter dem Motto „AOR-Alles Klar?“. Die Stücke moderiert er mit einem zum Mikro umgebauten Telefonhörer, mit dem sich die Gäste auch Lieder wünschen können. Graut nun der Morgen über Hamburg, packt Rick seine Billy-Joel-, Chicago- und Steely-Dan-Alben zusammen, nimmt sein Skateboard und fährt, nun die aufgehende Sonne im Rücken, in sein Studio zurück.